Paris : Notizen . e ergänzen sich in der glück-lichsten Weise. Neben der bis zum Grotesken übertriebenenCharakteristik des Königs Franz des Ersten — welch eine Zeit,wo Fürsten so schonungslos genial gemalt werden durften 1 —hängt die »Madonna mit dem Kaninchen«, worin glitzernd reichemalerische Werte in rhythmischen Wellen dahinfließen, worindie hergebrachte religiöse »Bedeutung« in der höheren Bedeu-tung der Erscheinung und im musikalisch tönenden Spiel desRäumlichen aufgelöst ist und das Manet nach dreihundertfünfzigJahren, um seiner modernen malerischen Qualitäten willen,kopiert hat. Neben
Paris : Notizen . e ergänzen sich in der glück-lichsten Weise. Neben der bis zum Grotesken übertriebenenCharakteristik des Königs Franz des Ersten — welch eine Zeit,wo Fürsten so schonungslos genial gemalt werden durften 1 —hängt die »Madonna mit dem Kaninchen«, worin glitzernd reichemalerische Werte in rhythmischen Wellen dahinfließen, worindie hergebrachte religiöse »Bedeutung« in der höheren Bedeu-tung der Erscheinung und im musikalisch tönenden Spiel desRäumlichen aufgelöst ist und das Manet nach dreihundertfünfzigJahren, um seiner modernen malerischen Qualitäten willen,kopiert hat. Neben der Landschaftsromantik des »HeiligenHieronymus«, die wie ein leidenschaftliches Präludium zuRubens und Delacroix erscheint, erhebt sich in dem großenBild »Jupiter und Antiope« eine ganz neue, aus der strengenWürde der Antike sinnenfroh erblühende Kunstwelt, eine Weltkunstgewordener Erotik und reicher Lebensempfindung, ein-gebettet in vollen, weichen Harmonien, sanft abklingend in den. Phot. Ad. Braun & Co. SIGNORELLI: DIE ANBETUNG FRESKEN 117 Tiefen einer heroisch getürmten Landschaft, weise von Wirkungzu Wirkung geführt und zum höchsten Ausdruck gesteigert indem herrlich hingelagerten Frauenkörper. Unwillkürlich denkt man im Gegensatz zu der Zeichnung,die Leonardos zerfurchtes Seherantlitz zeigt, worin neben demGroßen das Böse nistet, an das Selbstporträt Tizians in der Ber-liner Galerie. Dem von diesem Bild so herrschsüchtig herab-schauenden alten Patrizier mit dem üppigen Mund und der ge-nußgierigen Willensmaske, diesem Starken mit der aretinohaftenSinnlichkeit traut man die Lebenszäheit zu, die an einem hundert-jährigen Leben kaum genug hatte, und die überquellende Schöp-fungskraft; man sieht es diesen Mienen an, wie sie einem Menschengehörten, der das sinnlich faßbare Leben sehend verschlungenund mit allen Nerven zitternd gefühlt hat. Dieser Riese derEmpfindung hat die Natur mit seliger Inbrunst umarmt, als hätteer den mäc
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