. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. J. .1. T IKK AN EN. Der beiiihmte. dänische Kunstschriftsteller Julius Lange, der unser Motiv in einem 1888 erschienenen Aufsatze behandelte (nach dem Tode des Verfassers in seinen ,,Udvalgte Skrifter" II, S. ()9 fg., aufs neue gedruckt), behauptet, dass die Grätsch- stellung gar nicht antik sei, und dass man sie in der Blütezeit der griechischen Kunst, besonders in einer grossen, allein stehenden Statue, ohne Zweifel als unpassend, unver- schämt oder gar irreligiös missbilligt hätte. Bricht sie doch die Polykleitische Regel „uno crure insi


. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. J. .1. T IKK AN EN. Der beiiihmte. dänische Kunstschriftsteller Julius Lange, der unser Motiv in einem 1888 erschienenen Aufsatze behandelte (nach dem Tode des Verfassers in seinen ,,Udvalgte Skrifter" II, S. ()9 fg., aufs neue gedruckt), behauptet, dass die Grätsch- stellung gar nicht antik sei, und dass man sie in der Blütezeit der griechischen Kunst, besonders in einer grossen, allein stehenden Statue, ohne Zweifel als unpassend, unver- schämt oder gar irreligiös missbilligt hätte. Bricht sie doch die Polykleitische Regel „uno crure insistere" u. s. \v. Dieser Ansicht muss man wohl im allgemeinen unbe- dingt beitreten. \A^eiin aber Lange in unserem jetzigen Bestande von antiken Bildwer- ken mir ein einziges und zudem spätes Beispiel dieser Stellung gefunden hat — einen mit Kentauien kämpfenden Lapithen auf der Fussbodenmosaik von Otricoli in der Sala votonda des vatikanischen Museums — so muss man sich allerdings darüber wundern, dass ev eine jedenfalls ebenso typische und so weltbekannte Figur, wie den bronzenen, alten Silen in Neapel übersehen hat, der mit komi- scher Anstrengung ein (jetzt verschwundenes) Gefäss über seinen Kopf hebt {Abb. 1; nach einer Phot. von G. Sommer). Was ich über das Vorkommen des breitspurigen Stehens in der antiken Kunst anzuführen habe, kann jedoch die allgemeine Richtigkeit des Langeschen Satzes kaum erschüttern. Der alte Bericht vom Koloss auf Rhodos — dem Werke Chares' aus dem Anfang des III. Jahrh. v. Chr. — dass er nämlich mit gespi'eizten .Beinen über der Einfahi't des Hafens gestanden habe,' ist ja längst in das Reich der Märchen verwiesen worden, wo er ein Gegen- stück zu Gulliver bildet, dessen ausgebreitete Beine den Liliputanern als Tor dienten. Aber auch die tatsächlich voihandenen Beispiele, wenngleich nicht so selten, wie Lange es sich vorgestellt zu haben scheint, beweisen, dass die Grätschstellung in der antiken Kunst eine unte


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