. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Die Beinstellungen in der Kunstgeschichte. 75 Aus alledem kann man schon a priori schliessen, dass sich das gespreizte Stehen kaum für die Dai'stellung des weiblichen Wesens eignet, um so weniger weil sie dem weibliehen Anstandsgefühl widerspricht. Es ist in eminentem Grade die männliche Stel- lung, die Stellung Adams, aber nicht die Evas. In seinem Malerbuche (Quellenschriften I, S. 383) sagt Leonardo: „Bei AYeibern und jungen Bürschlein dürfen keine auseinan- der gespreizten und zu offenen Beinstellungen vorkommen, denn diese legen Keckheit un


. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Die Beinstellungen in der Kunstgeschichte. 75 Aus alledem kann man schon a priori schliessen, dass sich das gespreizte Stehen kaum für die Dai'stellung des weiblichen Wesens eignet, um so weniger weil sie dem weibliehen Anstandsgefühl widerspricht. Es ist in eminentem Grade die männliche Stel- lung, die Stellung Adams, aber nicht die Evas. In seinem Malerbuche (Quellenschriften I, S. 383) sagt Leonardo: „Bei AYeibern und jungen Bürschlein dürfen keine auseinan- der gespreizten und zu offenen Beinstellungen vorkommen, denn diese legen Keckheit und gänzlichen Mangel an Schamhaftigkeit an den Tag. Eng aneinander geschlossene Beine aber beweisen Furchtsamkeit und Schamhaftigkeit". Derselben Ansicht ist Lanue: „Dass eine Stellung wie diese (die Grätschstellung) unweiblich ist, darüber sind gewiss alle historischen Zeitalter und alle Völker der Erde einig ; Lange führt in- dessen eine Ausnahme aus der Kunst an: die nackte Fortuna, welche 1506 nach einer Zeichnung von Pinturicchio in gratfito an dem marmornen Boden des Domes zu Siena ausgeführt wurde (Ber. Kunstst., Abb. S. 162). Die Stellung hat ihre Erklärung darin, dass die Göttin des Glückes mit dem einen Fusse auf einem schaukelnden Boot, mit dem anderen auf einer rollenden Kugel steht. „Diese symbolische Spitztindigkeit", setzt Lange fort, „mag als Entschuldigung für die Anwendung des Motivs an einer weib- lichen Gestalt dienen. Li anderen Zeiten hätte man es kaum ein- mal in dieser Benützung ; In Helsingfors wurde 1908 ein vom finnländischen Bildhauer Ville Vallgren ausgeführter Mo- numentalbrunnen erriclitet, dessen Mitte ein nacktes, etwas breit- beinig aus den Wellen emporsteigendes Mädchen einnimmt. Bei der Enthüllung rief in der Tat diese Attitüde in gewissen Krei- sen der Stadtbevölkerung einen Sturm moralischer und ästlicti- schei' Entrüstung hervor, welcher sich jedoch glücklicherweise bald


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