. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Zwei Gebärden mit dem Zeigefinger. Unter Motiveh verstellt man im ästhetischen 8inne des Wortes die Teileinheiten in einem Kunstwerk, welche — so organisch sie auch mit dem lebendigen Ganzen zu- sammengewachsen sein mögen — dennoch dadurch eine vselbständige, geschichtliche Exi- stenz erhalten, dass sie in anderen Kunstwerken wiederholt werden und somit neue Ver- bindungen eingehen können. Im Grossen und Ganzen lebt wohl die Kunst mehr von Anleihen als von eigenschöpferischer Tätigkeit, und die Motive sind das Kleingeld in diesem Leihverkehr. Si


. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Zwei Gebärden mit dem Zeigefinger. Unter Motiveh verstellt man im ästhetischen 8inne des Wortes die Teileinheiten in einem Kunstwerk, welche — so organisch sie auch mit dem lebendigen Ganzen zu- sammengewachsen sein mögen — dennoch dadurch eine vselbständige, geschichtliche Exi- stenz erhalten, dass sie in anderen Kunstwerken wiederholt werden und somit neue Ver- bindungen eingehen können. Im Grossen und Ganzen lebt wohl die Kunst mehr von Anleihen als von eigenschöpferischer Tätigkeit, und die Motive sind das Kleingeld in diesem Leihverkehr. Sie tragen ein Gepräge, d. h. eine charakteristische, leicht erinner- liche und erkenntliche Form, sie besitzen ein Valeur, d. h. einen Schönheits- oder Aus- druckswert, dessen Kurs oder Gangbarkeit jedoch aus verschiedenen Ursachen stark wechseln kann, z. B. infolge der Brauchbarkeit, bzw. Erforderlichkeit der Motive für die dazumal üblichen Kunstaufgaben, ausserdem nach der Anschauungsweise, dem Ge- schmack und den Moderichtungen der betreifenden Epochen und Kunstschulen, dem Bei- spiele der leitenden Meister u. s. w. Wie die Geschichte der Beinstellungen lehrt (vgl. meine darauf bezügliche Arbeit), können vorher reichlich benützte Motive sogar während vieler Jahrhunderte aus dem Verkehr fast vollständig verschwinden, um etwa unter günstigeren Umständen aus ihrer Vergessenheit wieder aufzutauchen und eine neue Beliebtheit und Verbreitung zu erlangen. Es kann ja auch gelegentlich eintreffen, wie das Beispiel des aufgestützten Pusses zeigt (ibid. S. 103/4), dass ein Motiv, dank seiner früher geschlossenen Verbindung mit einem noch später herkömmlich fortlebenden Figu- rentypus (in diesem Falle Johannes dem Täufer), sein Dasein während ihm sonst abge- neigter Zeiten fristen, so zu sagen beim Schiifsbruch der Epoche, wozu es eigentlich ge- hört, sein Leben auf einer Planke retten kann. Abgesehen von der im früheren Mittelal- ter noch sehr lange fortleb


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