. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Dass diese spezifisch weibliche Beinstelhing, so weit ich gefunden habe, gar nicht in der archaischen Kunst, in der griecliischen ebensowenig wie in der mittel- alterlichen, vorkommt, bei'uht wohl indessen wedei' auf freimütiger Uii- befangenlieit noch auf mangelndem Gefühl für Sittsamkeit, sondern zu- nächst auf dem fehlenden Sinn der primitiven Künstler für feinere Nuancen des Ausdruckes. War ja doch die mittelalteidiche Kunst, unter dem Einflüsse der kirchlich-asketischen Moral, so wenig naiv, dass sie absichtlich in nackten Figuren den gesch


. Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Science. Dass diese spezifisch weibliche Beinstelhing, so weit ich gefunden habe, gar nicht in der archaischen Kunst, in der griecliischen ebensowenig wie in der mittel- alterlichen, vorkommt, bei'uht wohl indessen wedei' auf freimütiger Uii- befangenlieit noch auf mangelndem Gefühl für Sittsamkeit, sondern zu- nächst auf dem fehlenden Sinn der primitiven Künstler für feinere Nuancen des Ausdruckes. War ja doch die mittelalteidiche Kunst, unter dem Einflüsse der kirchlich-asketischen Moral, so wenig naiv, dass sie absichtlich in nackten Figuren den geschlechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau auf eine dürftige Charakteristik beschränkte, während sie nichtsdestoweniger die Pudica-Gebäi'de für beide benützte — und zwar nicht nur in den Darstellungen des Sündenfalles, wo ja dieser Gestus gewissermassen durch den biblischen Text veranlasst wurde, son- dern auch bisweilen, nördlich der Alpen bis in's XV. Jahrh. hinein, sogar für Christus in der Taufe. In botreff dieser Gebärde will ich im Voibeigehen schon hier noch hinzufügen, dass sie in der antiken Kunst ausschliesslich weiblich, im Mittelalter dagegen ebenso oft männ- lich und in der Regel, nöiillich der Alpen noch im ganzen XV. Jahrh., einfach ist, d. h. sich auf die Bedeckung der Scham beschränkt. --^^^ loo. Bemerkenswert ist, dass die weibliche Beinstellung in der griechischen Kunst erst im IV. oder vielleicht doch schon in der zweiten Hälfte des V. Jahrh. v. Chr. ihre Bedeutung als ein aner- kannt typisches Kunstmotiv gewonnen zu haben scheint — zu der Zeit, als die ideale Kälte und Strenge der ersten Blüte von einer wärmeren Temperatur, einem sinnlichen Keiz, einer allseitig wir- kungsvolleren und raffinierteren Kunstrichtung abgelöst wurde. In- dessen besitzen wir möglicherweise sogar ein „reif-arcliaisches" Bei- spiel derselben: die streng-schöne, nackte „Venus vom Esquilin" {Abb. 100; nach Hirth: Der schöne Mensch I,


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